Bei einem Deutschlandtreffen 1964 in der DDR, das von der FDJ organisiert wird, trifft der westdeutsche Geschichtsstudent Kaspar auf Birgit. Beide kommen sich schnell näher. Kaspar verhilft Birgit zur Flucht in den Westen, ohne zu wissen, dass sie schwanger ist und ein Kind auf die Welt bringt, welches sie zur Adoption freigibt.
Jahre später, die Ehe der beiden ist kinderlos geblieben, Birgit ist Alkoholikerin und Kaspar findet sie ertrunken in der Badewanne. Er begibt sich auf Spurensuche, als er erfährt, dass Birgit an einem Roman gearbeitet hat. In ihrem Computer findet er Fragmente einer Autobiografie und erfährt so von der Existenz von Birgits Tochter. Birgit wollte diese Tochter eines Tages suchen.
An ihrer Stelle begibt sich Kaspar auf Spurensuche. Er findet die Verlorene, die bei ihrem leiblichen Vater aufgewachsen war, aber nicht der sozialistischen Gesellschaftsnorm entsprach und ihre pubertären Jahre auf Veranlassung des eigenen Vaters im berüchtigten Gefängnis in Torgau verbrachte, im völkischen Milieu Mecklenburg-Vorpommerns. Dort lebt Svenja mit ihrem Mann und der 14-jährigen Sigrun.
Kaspar, der sich immer eine Familie gewünscht hat, schafft es, mit nicht ganz lauterer Bestechung, dass Sigrun ihn in den Ferien besuchen darf. Er versucht ihrer völkischen Erziehung eine bildungsbürgerliche Erziehung entgegen zu setzen. Er ermöglicht ihr Klavierstunden, lässt sie in seiner Buchhandlung stöbern und baut darauf, dass seine Welt ihre Sicht auf die Welt ändert. Aufgrund eines Missverständnisses verliert er den Kontakt zu Sigrun und trifft sie erst als junge Erwachsene wieder.
Mir gefiel an dem Roman die Annäherung zwischen Enkelin und Großvater, der nicht offensiv versucht zu erziehen, sondern der Angebote macht und hofft, dass das Mädchen sich selbst eine Meinung bildet. Die Geschichte lässt sich sehr gut lesen. Das Ende hätte ich mir allerdings anders gewünscht.
Marie-Therese Fritzen-Einfeldt
Schlink, Bernhard
Die Enkelin
Zürich: Diogenes, 2021
Standort: Romane, Schlin
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