Lektüre für Leser/innen, die sich auf Etwas einlassen mögen

Olmi, Veronique
Bakhita
Hoffmann und Campe, 2019

Cover aus Koha

Standort: SL
Signatur: Olmi

In „Bakhita“  erzählt Veronique Olmi eine wahre Geschichte. „Bakhita“ heißt eigentlich die  Glückliche. Bakhita lebte ungefähr in der Zeit von 1869 bis 1947.

Dieser Roman entwickelt von der ersten Zeile an eine fast brutale Sogwirkung auf den Leser. Ein kleines Mädchen aus Darfur erlebt als  Fünfjährige  im Sudan zum ersten Mal wie mordende Männer ihr Dorf überfallen. Ihre 14jährige Schwester Kishmet, die gerade ein Kind bekommen hat, wird entführt. Als sie ungefähr sieben Jahre alt ist, wird sie selbst beim Viehhüten entführt und fortan als Sklavin entlang der Sklavenrouten vergewaltigt, fast zu Tode gefoltert und gedemütigt.

Ich habe beim Lesen die verschiedensten Gefühlslagen durchgemacht. Tränen des Mitleids für das Schicksal dieses kleinen Mädchens, des Zorns über unsere Gesellschaft der damaligen Zeit und der Scham, zu welchen Handlungen Menschen fähig sind.

Mit ca. 14 Jahren hat Bakhita endlich einmal Glück und wird an den italienischen Konsul in Khartoum verkauft. Zumindest er versucht  ihr zu helfen. Aber da sie im Lauf der Jahre nicht nur ihren Geburtsnamen vergessen hat oder zu welchem Volk sie gehört, von ihrer ursprünglichen Stammessprache nicht erst zu reden, kann er nicht viel für sie tun. Als er aufgrund der politischen Entwicklungen zurück nach Italien geht, überzeugt sie ihn, sie mitzunehmen. Sie wird als Sklavin einer befreundeten Familie geschenkt, deren Tochter sie das Leben rettet und für die sie fortan als Kindermädchen zuständig ist. Die Liebe, die sich zwischen dem  Kind und der Sklavin entwickelt, wird sie das ganze Leben hüten wie einen kostbaren Schatz.

Als die Familie sich endgültig in Sawakin, einer sudanesischen Hafenstadt am Roten Meer,  niederlässt, weigert sich Bakhita zurückzukehren. Sie erbittet die Aufnahme ins Kloster der Canossianerinnen. Sie möchte nur noch dem „Sklaven am Kreuz“ dienen. Über 50 Jahre verbringt sie in diesem Orden, als tiefschwarze Nonne wird sie von den einen verteufelt, von den anderen wie ein Zirkustier bestaunt. Auch im Kloster verläuft ihr Leben nicht viel erfreulicher, aber ihr Leib und Leben sind nicht mehr in Gefahr und sie kommt zur Ruhe. Zeitlebens schlägt ihr Herz für die Kinder, die immer die Leidtragenden des politischen Geschehens sind. Sie erlebt zwei Kriege. Eines Tages wird die Geschichte ihres Lebens als Buch veröffentlicht, was nicht nur einen medialen Hype auslöst.

Im Jahr 2000 wird sie von Papst Johannes Paul II heiliggesprochen und ist damit die erste sudanesische Heilige.

Ich lege Ihnen diesen Roman dringend ans Herz, auch wenn es keine leichte Lektüre ist, denn mich hat lange kein Buch mehr so tief beeindruckt.

Marie-Therese Fritzen-Einfeldt
(Diplom-Bibliothekarin)